Africa 360°-Blog: Unterwegs | Flugtag I: Béziers – Murcia Teil I

Der zweite "erste" Flugtag (zu den Anfängen der Latécoère) - Teil 2

Der zweite "erste" Flugtag (zu den Anfängen der Latécoère) - Teil 2

„Europa und Afrika rüsteten, fast zur gleichen Minute…]. Hier wie dort waren die letzten Stürme dieses unruhigen Tages im Ablaufen begriffen. In Granada beruhigte sich alles wieder, in Malaga war der Sturm in Landregen übergegangen.“ Aus "Südkurier", von Saint Exupéry

 

Der "Rote Felsen" - die spanische Mittelmeerküste

Ohne Funkkontakt auf spanischer See...

Es sind diese Zeilen des St. Ex, die uns als Auftakt für die bevorstehende Route entlang der spanischen Mittelmeerküste dienen. Sie beschreiben so nüchtern und dennoch mystisch, welche Gefahren und Herausforderungen auf den Piloten in einem Kleinflugzeug lauern. Und auch heute, am Tag unseres Fluges auf den Spuren St. Ex‘, sind für spätere Teilstücke starke Winde, schlechte Sichten und teils niedrige Wolkenuntergrenzen vorhergesagt.

Die Route an der spanischen Mittelmeerküste entlang ist fliegerisch betrachtet nicht ungefährlich. Da wir den Spuren St. Exupérys folgen wollen, also möglichst genau jene Gestein- und Felsinformationen überfliegen wollen, wie dieser es in den 1930er Jahren getan hat, haben wir uns entschieden, diesen Flug nach Sichtflugregeln durchzuführen. Dies gibt uns die Möglichkeit, vergleichsweise nah an der spanischen Küste entlang Richtung Afrika zu fliegen, während wir bei einem Flug nach Instrumentenflugregeln der von der Flugsicherung vorgegebenen Route hätten folgen können.

Anders als in Deutschland und Frankreich, bedeutet „nach Sicht fliegen“ in Spanien fast ausnahmslos, in sehr niedrigen Flughöhen, und das heißt, ca. 300 Meter über Grund und Wasser, fliegen zu müssen. Nun könnte man annehmen, dass niedrig zu fliegen, Sicherheit bedeutet – genau das Gegenteil ist der Fall.
Beim Fliegen bedeutet Flughöhe = Sicherheit, denn im Falle eines technischen Problems bleibt in großer Flughöhe mehr Zeit, eine Sicherheits- oder Notlandung vorzubereiten oder bei einem Motorausfall eine geeignete Landefläche im Gleitflug zu erreichen – Optionen, die einem Piloten in niedriger Höhe nicht zur Verfügung stehen.

In 300 Metern über das spanische Mittelmeer - ab und an können wir nah an die Küste heranrücken - Notlandefelder: Fehlanzeige

In Spanien nach Sichtflugregeln fliegen zu wollen/müssen, bedeutet ein erhöhtes Risiko. Denn zu der Regel, niedrig fliegen zu müssen, kommen außerdem noch eine sehr schlechte Funkabdeckung zur Flugsicherung, schlecht verständliche Fluglotsen, sowie starke Winde und Schlechte Sichtverhältnisse hinzu.
Alles in Allem steht uns ein aus Risikobewertung betrachtet anspruchsvoller Flug bevor und die Situation wird nicht dadurch erleichtert, dass wir am Flughafen in Béziers mit der spanischen Bürokratie und informtionstechnischen Problemen zu kämpfen haben. Aber der Reihe nach.

Wie in einem der vorherigen Beiträge über das Fliegen in Spanien bereits geschrieben, erfordert nahezu jeder Flug einen Flugplan. Dieser Flugplan ist über ein definiertes Verfahren an die verschiedenen Flugsicherungsstellen zu übermitteln – ein, selbst in Zeiten des Internets (vor allem, wenn dieses nicht verfügbar ist), mitunter fehlerträchtiges und bürokratisch aufwendiges Verfahren, das in südlich gelegenen Ländern gerne mal ein bis zwei Stunden Zeit in Anspruch nehmen kann.

Neben der Aufgabe eines Flugplans ist es bei einigen Plätzen in Spanien außerdem notwendig, eine vorherige Landegenehmigung („PPR“) des Zielflugplatzes einzuholen – ebenfalls eine bürokratische Hürde, die die Planung eines Fluges durch Spanien nicht gerade einfacher macht – denn kommt in Frankreich und vielen anderen Ländern bestens mit Englisch als Sprache der Verständigung zu recht, ist dies in Spanien mitunter noch immer schwierig.

Für unseren konkreten Flug von Béziers in Frankreich an der spanischen Mittelmeerküste entlang nach Murcia, hatten wir drei Tage vor Flugbeginn versucht mit dem für die Zuteilung der PPR-Genehmigung zuständigen Unternehmen (in diesem Falle Swissport) Kontakt aufzunehmen. Der mehrfache Versuch einer Kontaktaufnahme blieb erfolglos.

Am Flughafen von Béziers, bei 30° im Schatten, einer steifen Brise versuchten wir nun via (schlechter) Handyverbindung, Kontakt mit dem spanischen Unternehmen aufzunehmen, um die Landegenehmigung für Murcia zu erhalten. Der erste Versuch einer Kontaktaufnahme endete mit dem Gesprächsabbruch auf der anderen Seite – läuft…
Kurze Zeit Später klingelte das Handy – eine freundliche Dame erklärte in gutem Englisch mit hübschem, spanischem Akzent, sie habe meinen Anruf gesehen und möchte sich nach meinem Anliegen erkundigen.

Wir teilten mit, dass wir beabsichtigten abends in Murcia zu landen und fragten nach, ob dies möglich sei – darauf hinzuweisen, dass wir genau jene Fragen bereits drei Tage vorher per Mail versucht hatten zu klären, schien uns in diesem Moment unpassend. Mit großer Herzlich- und Freundlichkeit erklärte uns die Dame, dass dies aufgrund des hohen Verkehrsaufkommens gar nicht so einfach sei, denn neben der PPR-Genehmigung, sei außerdem noch die Beantragung eines „Slots“ erforderlich.

Das Wort Slot löst bei jedem Piloten eine mittelschwere Panikattacke aus – denn die Beantragung eines solchen kann bei großen Flughäfen mitunter einen extrem langwierigen Prozess bedeuten und hat nicht selten eine Ablehnung zur Folge, mit dem Ergebnis, dass der Flug nicht angetreten werden kann.

Unsere mit niedergeschlagener Stimmfarbe vorgetragene Frage, ob die Beantragung des Slots innerhalb der nächsten drei Stunden denn Aussicht auf Erfolg haben würde, blieb unbeantwortet – man werde alles versuchen.
Was dies kosten würde? Wisse man nicht, werde man uns aber „zeitnah“ mitteilen.
Überflüssig zu sagen, dass diese Info nie erteilt wurde…

Das Ergebnis dieses 10 minütigen Telefonats: wir sollten eine E-Mail mit allen flug- und flugzeugrelevanten Daten schreiben und wir erhielten innerhalb der nächsten Stunden Info, ob wir würden landen können, oder nicht. Davon abgesehen, dass wir diese Daten bereits Tage vorher per email übermittelt hatten, hörte sich das alles nicht allzu vielversprechend an.

Dennoch, wir hatten keine Wahl. Wollten wir im Zeitplan bleiben, mussten wir an diesem Abend in Murcia landen.

Also auf dem Handy bei 30° in der prallen Sonne die email getippert und „send“ - nun hieß es warten, bis sich jemand meldet…

Die erste Stunde verstrich – nach zwanzigmaligem Aktualisieren des email Postfaches – nichts, keine Slotbestätigung. Eine weitere halbe Stunde später, noch immer: nichts. Unser großzügig dimensioniertes Zeitfenster schrumpfte beachtlich. Innerhalb der nächsten Stunde wir losfliegen müssen, sonst würde eine Landung in Murcia nicht mehr klappen.
Wir entschieden uns, erneut anzurufen. Wir erreichten... niemanden. Hängende Köpfe. Erneut der Versuch, telefonisch Kontakt aufzunehmen: nichts. 15 Minuten später: KONTAKT! Man habe den Slotantrag gestellt, jetzt könne man nur noch warten. Wieder hängende Köpfe. In 10 Minuten müssen wir abfliegen, sonst schließt sich das Zeitfenster, die Aktualisierung des email-Postfaches ergab: eine neue E-Mail… juhu, der Slot ist da und wurde genehmigt. Jetzt schnell den Flugplan aufgeben… und den Slot darin vermerken – ja, wo eigentlich? Feld 18, Remarks!

Ab in den Flieger, Roll- und Startgenehmigung einholen und dann endlich: airborne! St. Ex, wir kommen!
Nachdem die Räder unserer Bonnie den Boden verlassen hatten, drehten wir in südliche Richtung und flogen auf das offene Meer hinaus.

Der Funkkontakt mit den Franzosen verlief hervorragend, auch in niedriger Flughöhe. Wenige Flugminuten später zog Perpignan an uns vorbei und es wurde Zeit, die spanischen Flugsicherung zu rufen.
Unser freundlich formulierter Einleitungsanruf blieb unfreundlich unbeantwortet – welcome to Spain!

Das Problem: ohne Funkkontakt zur Flugsicherung ist es nicht möglich, in freigabepflichtige Lufträume einzufliegen und so blieb uns nur die Möglichkeit, weit draußen über dem offenen Meer zu fliegen – im Falle eines Motorausfalls hätte es keine Möglichkeit gegeben, Land zu erreichen, eine Notwasserung wäre notwendig gewesen. Selbst mit unserer Notausrüstung, bestehend aus Schwimmwesten, Rettungsinseln und speziellen Trockenanzügen, eine Vorstellung, welche wir nicht unbedingt in die Tat planten umzusetzen.

Unser Motor verrichtete seine Aufgabe unbeirrt und zuverlässig und peitschte uns durch kräftigen Gegenwind gebremst, überschaubar zügig gen Süden. So blieb uns Zeit zu erspüren, weshalb wir eigentlich hier waren – um den Spuren St. Ex zu folgen.

Dichterisch schreibt St. Ex: „Barcelona, Valencia, Gibraltar an dich herangebracht und wieder fortgetragen….]. [… dann müsstest du trachten, den Strand von Peniscola zu erreichen. Aber Vorsicht vor den Fischerbarken!“ „Und weiter?“ „Bis Valencia wirst du immer Notlandeplätze finden…, im schlimmsten Falle musst du auf ausgetrocknete Rios niedergehen…]."

Klar wird: zu Zeiten St. Ex. gab es keine Lufträume, die weiträumig auf dem offenen Meer umflogen werden mussten. St. Ex konnte direkt der Küstenlinie folgen, immer die Möglichkeit, ein Landefeld zu erreichen – so die Theorie. Einmal an der spanischen Küste entlang geflogen weiß man, dass diese über hunderte Kilometer aus Felsen, Steinen und unwirtlichem Gelände besteht – wir würden eine Notlandung auf dem Wasser immer jener in bergigem Terrain vorziehen!

Diffuse Lichtverhältnisse über dem Meer - diese sollten uns noch Probleme bereiten...

In diffuses Licht getaucht, durch den Wind zu zornigen Wasserkronen aufgepeitscht, erahnen wir nur annähernd, welche Herausforderung es für die Flieger der damaligen Postfliegerei bedeutet haben muss, diesen Küstenstreifen bei Nacht, Wind und Wetter, zu befliegen.
Heutzutage gibt es auf validen Wettermodellen basierende vergleichsweise präzise Wettervorhersagen, Kommunikation via E-Mail, Internet und Telefon – eine irgendwie geartete Verständigung ist immer möglich.

Und zu Zeiten der Latécoère Air Lines:
Funkmeldungen, die je nach Wetter und Tageszeit zwischen den Stationen von Dakar bis nach Toulouse versucht wurden weiterzureichen, unverständlich, abgehackt, unzustellbar. Für die Flieger bedeutete das, abgeschnitten sein von der Außenwelt – genau wie wir, während wir über das Meer unserem Ziel entgegen glitten.

Auch uns soll der Funkkontakt kurz vor der Landung noch weitere Probleme bereiten, dazu im nächsten Beitrag mehr...

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